Der Dolmetscher: Peter Falkai über „Burnout“
LMU-Forscherinnen und -Forscher erklären wissenschaftliche Begriffe allgemein verständlich.
LMU-Forscherinnen und -Forscher erklären wissenschaftliche Begriffe allgemein verständlich.
Es gibt wissenschaftliche Begriffe, die es in die Alltagswelt geschafft haben. LMU-Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erklären an dieser Stelle solche Ausdrücke – nicht nur mit einer reinen Definition, sondern auch mit einer kurzen Geschichte ihrer Popularität.
Peter Falkai: „Inflation, Investitionsstau, internationale Konflikte – auf der Welt mangelt es gerade wirklich nicht an Dingen, deren Auswirkungen uns Stress bereiten können. Die Arbeitswelt verändert sich rapide und nach Feierabend befeuern die sozialen Medien unser Gehirn weiter mit teilweise erschreckenden Informationen. Spätestens seit der Pandemie wissen wir, wie wichtig es ist, in anstrengenden Situationen resilient zu bleiben. Doch nicht immer gelingt das. Der Begriff Burnout hat seit Jahren Konjunktur, weil er das Gefühl einer nicht enden wollenden Überforderung so treffend beschreibt.
Prof. Dr. Peter Falkai | © S. Beißner/LMU Klinikum
Stressreaktionen im Alltag laufen in der Regel so ab: Der Cortisolspiegel steigt, die Pupillen weiten sich, wir schwitzen und der Körper geht in Habachtstellung. Verschwindet der Auslöser, gehen Blutdruck und Cortisol wieder runter, das Schwitzen hört auf, wir entspannen uns.
Wenn aber diese Klappe nicht wieder zugeht, bleibt der Stresslevel durchgehend hoch. Wir sind unruhig, können nicht richtig schlafen, entwickeln Ängste. Wenn der Stress nicht nachlässt, fühlen wir uns irgendwann völlig erschöpft – wie ausgebrannt.
Menschen mit einem Burnout-Syndrom sind typischerweise weniger belastbar, entwickeln einen gewissen Zynismus und leiden an kognitiven oder körperlichen Beschwerden. Burnout ist aber keine eigenständige medizinische Diagnose, sondern eine Zustandsbeschreibung. Im medizinischen Sinne ist ein Burnout also eigentlich eine Depression oder Angsterkrankung, die durch Dauerbelastung ausgelöst oder begünstigt wird.
Der Schweregrad ist klinisch nicht einfach zu differenzieren. Wichtig für die ärztliche Einschätzung sind die Dauer und das Ausmaß der Symptome. Wer intensiv für eine Abschlussarbeit geschuftet hat und sich danach eine Weile ausgebrannt fühlt, muss sich in der Regel keine Sorgen machen. Meist genügt eine Woche Erholung, bis die Energie wieder zurückkehrt. Wer jedoch nach einer Belastung langfristig nicht mehr arbeiten kann, erfüllt auch formal die Diagnose einer Depression – und sollte professionelle Hilfe in Anspruch nehmen. Rund fünf bis sieben Prozent der Bevölkerung fällt es schwer, mit chronischer Belastung umzugehen.
Burnout ist also kein Massenphänomen, warum ist der Begriff dann trotzdem so präsent? Wer ausgebrannt ist, der hat einmal gebrannt, sich bis zum Äußersten getrieben. Wer hingegen Depressionen oder eine Angststörung hat, gilt als schwach. So zumindest das Vorurteil. Burnout ist also gesellschaftlich akzeptierter als andere psychische Erkrankungen. Wir sollten unsere mentale Gesundheit als wichtige Ressource erkennen und rechtzeitig handeln, wenn sie gefährdet ist – egal ob wir das dann am Ende Burnout oder anders nennen.“
Prof. Dr. Peter Falkai leitet die Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie am LMU Klinikum und ist Inhaber des Lehrstuhls für Psychiatrie und Psychotherapie an der LMU.
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